Trotz Fachkräftemangel: Am Salzburger Arbeitsmarkt finden (teils hochqualifizierte) geflüchtete Menschen und potentielle Arbeitgeber erst sehr zaghaft zueinander. Eine bemerkenswerte Initiative sorgt mit kreativen und unkonventionellen Lösungen dafür, dass dieses „Matching“ besser und auch fairer wird.
Fremd in verschiedenen Schattierungen
Die große Zuwanderungswelle aus Ex-Jugoslawien im Jahr 1991 habe ich verpasst. Da war ich selbst Gastarbeiter in der Schweiz. Wobei ein qualifizierter Österreicher in der Schweiz einen ganz anderen Stand hatte als z.B. ein unqualifizierter Portugiese.
Das gleiche Phänomen begegnet mir heute wieder in Österreich. Obwohl Kommunikation in beiden Fällen anfangs so gut wie unmöglich ist bzw. war, fühlen sich viele Bewohner/innen der Alpenrepublik den geflüchteten Menschen aus Ex-Jugoslawien kulturell näher als Flüchtlingen aus Syrien, Somalia oder Afghanistan. Die Welt rückt zusammen – die Überwindung, auf andere Menschen zuzugehen, ist aber größer geworden.
Schwarz auf Weiß – ohne Sch…
Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Arbeitszeugnisse – vor allem in der hierzulande eigenen literarischen Form – sind in vielen Ländern der Welt unbekannt oder höchstens kurze Bestätigungen über die Verweildauer und Funktion. Oft gilt das auch für Ausbildungsnachweise.
Insofern liefern geflüchtete Menschen beim in Österreich üblichen schriftlichen Bewerbungsprozess ein wenig überzeugendes Bild. Sofern Ihre Unterlagen nicht überhaupt in den Trümmern der Heimat geblieben sind.
Arbeitslos, beweislos – aber nicht beziehungslos
Dort setzt der 2016 in Salzburg gegründete, gemeinnnützige Verein fairMATCHING an:
- dem bürokratischen, schriftlichen Bewerbungsritual möglichst wenig Raum geben
- den potentiellen Arbeitgebern die „Angst“ nehmen
- Kandidat/in und Firma persönlich zusammenbringen
Beziehung kann durch nichts ersetzt werden – besonders, wenn am Anfang aufgrund kultureller Unterschiede die Ungewißheit überwiegt..
Frechheit siegt – Kreativität auch
Ende September hat fairMATCHING im Rahmen des Stadtwerke-Areal-Fests ein Speeddating für geflüchtete Menschen und potentielle Arbeitgeber organisiert. Dieser Einladung sind namhafte Unternehmen gefolgt wie z.B. Spar, Salzburg AG, Soulkitchen (Indigo / Raschhofer Bräu), aber auch das erfolgreiche Tech-Startup Findologic.
Diesen Betrieben wurde Einiges geboten – sie hatten innerhalb von knapp 2 Stunden die Möglichkeit, über 40 asylberechtigte Personen mit Arbeitserlaubnis und unterschiedlichsten Qualifikationen persönlich kennenzulernen.
Wie sagt man so schön?: „Mit´n Redn kommen d´Leut z´samm“ (wahrscheinlich leichter als durch das Versenden von e-Mail-Lebensläufen ohne Anhänge)
Bauchgefühl schlägt Arbeitszeugnisse
Beim persönlichen Kontakt mit den Bewerber/innen konnten sich die Unternehmen von den tatsächlichen Deutschkenntnissen der Kandidat/innen überzeugen.
Diese Deutschkenntnisse sind in vielen Fällen bereits so gut, dass bei den Bewerbungsgesprächen auch Fachdiskussionen zum jeweiligen Job geführt werden konnten. Der nächste Schritt – z.B. ein Probetag wäre auf dem klassischen schriftlichen Bewerbungsweg wohl kaum so schnell zusammengekommen. Wenn überhaupt.
Zukunft
fairMATCHING hat allein im Jahr 2018 bereits 40 geflüchteten Menschen in Salzburg zu einem Job verholfen. SIE können fairMATCHING als Privatperson mit einer Spende bzw. als Unternehmen mit einer Unternehmenspartnerschaft finanziell unterstützen. Was Unternehmen noch tun können: Wenn eine Stelle zu besetzen ist – fairMATCHING kontaktieren.
Aber sagen Sie bitte nicht: „Schicken Sie was…“ sondern „Wann machen wir einen Termin?“