Mobbing kostet Arbeitgeber:innen Produktivität, Image, Zeit, Energie und somit Geld. Wir sprachen zum Thema mit der in Mobbing-Intervention erfahrenen Psychologin Mag. Doris Degelsegger.
Weil man´s ja oft nicht so direkt gesagt bekommen wird: Woran könnte man als Arbeitgeber:in erkennen, dass im Unternehmen eine:e Mitarbeiter:in unter Mobbing leidet?
Grundsätzlich gilt: es muss klar sein, dass Mobbing in einer Unternehmenskultur ein absolutes NO GO darstellt. In einem solchen Klima werden Informationen über eventuelle Probleme leichter an Führungskräfte herangetragen.
Wenn doch eine Mobbing-Situation in einem Unternehmen im Gange ist, ziehen sich Opfer verstärkt zurück. Verhaltensänderungen können auftreten – bis hin zu erhöhten Krankenständen.
Neben der Abhaltung von laufenden Mitarbeiter:innengesprächen sollten Führungskräfte möglichst klare Arbeitsaufgaben stellen sowie Über- und Unterforderungen verhindern. Das sind gute Basispunkte in der Mobbing-Prävention.
Wie schwierig ist die Unterscheidung zwischen „echtem“ Mobbing und einem hartnäckigen Zwist unter Kolleg:innen?
Gute Frage – Du sprichst das Thema Konflikte an. Ein Konflikt ist eine normale menschliche Lebensäußerung, eine Entwicklung abhängig von der Art der Handhabung bzw. dem Verhalten der Beteiligten.
Ein Konflikt in Unternehmen entsteht meist zwischen zwei Personen – oft auf der gleichen Hierarchieebene. Und er lässt sich in einer gut entwickelten Unternehmenskultur durch klärende Gespräche konstruktiv bearbeiten.
Mobbing hingegen ist eine destruktive Entwicklung. Es herrscht Ungleichgewicht zwischen den Betroffenen – weil eine Gruppe von Personen gegen Einzelne vorgeht oder jemand eine höhere Hierarchiestufe schädlich ausnutzt.
Trotzdem sollten Führungskräfte genau hinsehen, damit nicht Mitarbeiter:innen aus einer Kränkung bzw. mangelnder Konfliktfähigkeit heraus in einer Situation überreagieren und Mobbing in den Raum stellen. Wie in allen Fällen hilft auch hier Klarheit von Anfang an.
Wie muss ich als Arbeitgeber:in bei der Mobbing-Intervention die einzelnen „Rollen“ (Täter:innen, Opfer, Mittäter:innen, Wegschauer:innen,…) behandeln, um die Situation möglichst rasch wieder zu eskalieren?
Auf der Täter:innen-Seite gibt es folgende Rollen:
- Täter:in
- Mittäter:in
- Unterstützer:in
Diesen Personen muss vom Start weg klar und sachlich gesagt werden, dass Mobbing (und Mobber:innen) im Unternehmen keinen Platz haben. Dass aber auch alle Seiten angehört werden, das Problem gemeinsam gelöst wird, jede:r in seiner:ihrer Rolle mitwirkt (Shared-Responsability-Prinzip). Es soll niemand als Schuldige:r festgemacht werden. Als sehr hilfreich erweist sich dabei, alles von Beginn an schriftlich zu dokumentieren, um später ggf. den gesamten Vorgang und Ablauf nachvollziehbar darstellen zu können.
Auf der Opfer-Seite stehen:
- das Opfer
- Beistand, unterstützende Personen / Institutionen
Es gelten die gleichen Signale und Maßnahmen wie oben angeführt. Ein guter Führungsstil bzw. eine offene Unternehmenskultur macht sich im Vorfeld bezahlt, wenn sich Betroffene auch trauen, Vorgesetzte über die Missstände zu informieren.
Eine dritte Gruppe stellen die Unwissenden dar. Dies kann zu Beginn oft noch die Führungskraft sein. Wer aber nicht wirklich unwissend ist bzw. wegsieht, verstärkt letztlich die Täter:innen-Seite zumindest als Unterstützer:in. Aus diesem Blickwinkel kann sich eine Führungskraft in einer Mobbingsituation Unwissenheit gar nicht leisten. Informiert zu sein ist für Führungskräfte eine permanente Hol-Schuld.
Gibt es bei der Mobbing-Intervention einen „Grad der Schwere“, ab dem es besser ist geschulte Hilfe von außen zuzuziehen?
Ich verstehe, was Du mit Deiner Frage meinst. Uns allen sollte aber klar sein, dass Stress und Leidensdruck etwas sehr Individuelles ist. Und auch sehr individuell von jedem:jeder Einzelnen erlebt wird.
Es braucht eine Unternehmenskultur, die es Betroffenen erlaubt, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist für manche gar nicht so einfach – vor allem, wenn es im Haus nicht klar kommuniziert wird.
Sich erlauben, Hilfe zu holen – das gilt in Mobbing-Situationen auch für Führungskräfte. Die jeweiligen Landesstellen der Wirtschaftskammer beschäftigen in ihren Arbeitsrechts-Abteilungen mit Mobbing-Intervention vertraute Expert:innen. Eine Beratung für Wirtschaftskammer-Mitglieder ist zudem kostenlos.
Das ist gut investierte Zeit. Weil: eine ungelöste Mobbing-Entwicklung kann mit zunehmender Eskalation für Firmen zum rechtlichen Problem werden. Es wurde bereits 2010 gesetzlich verankert: Unternehmen haben die Verpflichtung, Mobbing zu unterbinden.
Es gibt einen aktuellen Fall, bei dem ein (vor allem durch vorgesetzte Personen) gemobbter Mitarbeiter 77.600,- € Schadenersatz am Landesgericht St. Pölten einklagte und Recht bekam. In letzter Instanz hat auch der oberste Gerichtshof dies bestätigt, über die Höhe des Schadensersatzes wird verhandelt. Das Opfer ist in diesem Fall der stellvertretende Kommandant einer Polizeiinspektion.
Wie könnte ein Unternehmen – so wie im Qualitätsmanagement – Standards bzw. ein Regelwerk für den eigenen Betrieb festlegen, damit Mobbing-Situationen möglichst gar nicht entstehen?
Wie schon erwähnt ist die Haltung der Unternehmensspitze wesentlich. Wer die Entscheidungen trifft, prägt die Unternehmenskultur maßgeblich. Umso klüger ist es darum, dies auch zu verschriftlichen z.B. im Firmenleitbild. Es gilt das erwähnte Shared-Responsability-Prinzip:
- es geht nicht um die Suche nach Schuldigen
- oberste Priorität hat die Lösung des Problems
- dabei wirkt jede (oben erwähnte) „Rolle“ mit
- wenn es auftritt, Mobbing als Systematik wahrnehmen, nicht auf einzelne Personen zu beziehen und die zugrundeliegende Mobbing-Dynamik aus dem Haus wieder herauszubekommen.