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Veröffentlicht am 17. Februar 2021

Interview zum Thema Mobbing – Teil 1 / Die Arbeitnehmer:innen-Sicht

Mobbing ist unfair, unmenschlich und ungesund. Am Arbeitsplatz ist es die Pflicht von Führungskräften und Kolleg:innen, jedem Hinweis und Verdacht strikt nachzugehen. Wir sprachen zum Thema der in Mobbing-Intervention erfahrenen Psychologin Mag.a Doris Degelsegger.

To mob = anpöbeln, angreifen, sich auf jemanden stürzen

Andere Menschen bewußt wiederholt, ständig, systematisch oder über einen längeren Zeitraum zu ärgern, zu beschimpfen, zu schikanieren, quälen, asozial zu handeln, sexuell zu belästigen, zu isolieren, demütigen und seelisch zu verletzen

Wieviele Personen in einer Firma / Abteilung sind – rein mengenmäßig – „notwendig“, damit eine Mobbing-Situation entstehen kann?

Ab 2 Personen im Zusammenschluss können Mobber:innen gegen ein einzelnes Opfer wie eine Gruppe vorgehen. Wichtig ist, neben dem unfairen Personenverhältnis auch noch einen Blick auf die Hierarchieebene zu werfen – man kann 3 Formen von Mobbing dabei unterscheiden:

  • eine Gruppe von „Kolleg:innen“ (gleiche Hierarchiestufe) geht gegen ein Opfer vor
  • eine Gruppe von Personen kann gegen Vorgesetzte Mobbing-Aktionen setzen
  • umgekehrt kann eine vorgesetzte Person auch allein gegen ein einzelnes Opfer im unterstellten Beschäftigungsverhältnis so viel Druck ausüben, dass man von Mobbing spricht. Über längeren Zeitraum wiederkehrende, systematische Verletzungen, Entmutigungen, Ausgrenzungen oder Einschüchterungen von Vorgesetztem einer:m oder mehreren Mitarbeitenden gegenüber. (Bossing)


Welche „Rollen“ gibt es in einer Mobbing-Situation und aus welcher Dynamik heraus entsteht aus einer Mobbing-Situation ein dauernder Mobbing-Zustand?

Auf der Täter:innen-Seite gibt es folgende Rollen:

  • Täter:in
  • Mittäter:in
  • Unterstützer:in

Auf der Opfer-Seite stehen:

  • das Opfer
  • Beistand, unterstützende Personen / Institutionen

Eine dritte Gruppe stellen die Unwissenden dar. Diese kann es in einem Unternehmen auch in einer Mobbing-Situation geben. Wer einfach nur wegsieht, stärkt letztlich die Täter:innen-Seite u. ermöglicht, dass das Leid für das Opfer weitergeht – zählt daher zu den Unterstützer:innen.

Am Beginn sind die Rollen oft nicht klar zu unterscheiden, legen sich erst fest und können sich auch verändern. Das zeigt, wie sehr Mobbing eben nicht nur ein Ereignis, sondern eine Dynamik / ein Prozess ist.


Welche Maßnahme sollte die gemobbte Person sofort ergreifen, wenn eine Mobbing-Situation zum ersten Mal oder gar im wiederholten Muster auftritt, um die kritische Lage schnell zu entschärfen?

Sich aus der Opferrolle zu befreien, erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Zuerst ist ganz wichtig, in der eigenen Grundhaltung eine klare NEIN-Botschaft auszudrücken und zu vermitteln (Das machst Du nicht mit mir!). Hilfreich ist, wenn diese Haltung durch die Unternehmenskultur unterstützt wird (wenn z.B. dazu im Unternehmensleitbild auch schriftlich klar Haltung bezogen wird)

Auf der Handlungsebene muss sich das potentielle Mobbing-Opfer sofort Beistand suchen. Kolleg:innen, evtl. Betriebsrat – auch nicht zu lange warten, um Vorgesetzte zu informieren oder professionelle Unterstützung anzufordern. Die jeweiligen AK Länderstellen haben dazu eigene Expert:innen im Beratungsteam.

Absolut empfehlenswert ist es, von Beginn an ein Mobbing-Tagebuch zu führen. Gut, wenn man es nicht braucht. Falls aber die Situation innerbetrieblich nicht zu lösen ist, führen die nächsten Schritte auf die rechtliche Stufe. Die schriftlichen Aufzeichnungen sind dann vor Gericht ein klares Beweismittel. Link zur Info und Vorlage Mobbing-Tagebuch der AK Oberösterreich


Wenn die Lage für das Mobbing-Opfer sich trotz aller Versuche als unlösbar erweist und die gebotene Unterstützung bzw. wie auch immer erfolgte Reaktion der Geschäftsführung nicht hilfreich ist: Was würdest Du mit Deiner Erfahrung empfehlen?

Spätestens jetzt sollte das Opfer professionelle Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen. Die Dynamik von Mobbing in einem Unternehmen ist nicht einfach zu entschärfen. Schon gar nicht von einer einzelnen Person.

Es ist wichtig, dass alle Beteiligten eingebunden werden. Opfer und Täter:innen ebenso wie Führungskräfte. Der Geschäftsführung des Unternehmens muss klar sein, dass Mobbing für die Firma auch rechtliche Konsequenzen haben kann. Es ist seit 2010 gesetzlich verankert, dass Unternehmen die Verpflichtung haben, Mobbing zu unterbinden.


Wie offen sollte man mit vergangenen Mobbing-Erlebnissen aus Deiner Sicht umgehen? Zum Beispiel wenn man im Vorstellungsgespräch gefragt wird, warum man bei einer früheren Firma aufgehört hat (und Mobbing der Grund war)?

In Vorstellungsgesprächen ist immer vorteilhaft, vergangene Beschäftigungsverhältnisse in einem sachlichen, neutralen Licht darzustellen. Wenn jemand beim ersten persönlichen Kontakt dem:der zukünftigen Arbeitgeber:in sagt: „Ich wurde gemobbt und es kam zu einem Prozess am Arbeitsgericht“…dann besteht ein gewisses Risiko, dass die andere Seite nur mehr das Reizwort Arbeitsgericht hört und dies die gesamte Mobbing-Problematik übertönt. Mit einem diplomatischen Hinweis auf das Arbeitsklima werden viele Gesprächspartner:innen sich ausreichend informiert und zufrieden geben.

Teil 2 des Interviews - die Unternehmenssicht - finden Sie ab 3. März 2021 im Jobaktuell Blog

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